Seien wir doch ehrlich, eine Space Opera braucht mehr als eine taffe Raumschiffcrew. Denn so wichtig ein Captain oder Mechaniker auch sein mag: kein Weltraum-Abenteuer ohne Raumschiff. Denn wer könnte die Enterprise, Lexx oder Moya je vergessen?
Außerdem gibt ein Raumschiff die Umgebung vor, in der die Charaktere leben. Und da sich so ein Raumschiff nicht ständig von selbst umbaut (okay, die meisten zumindest nicht), in meinen Gedanken aber ständig neue Flure durch die Szenerie wuchern, half alles nichts: Eine Karte musste her. Und was könnte sich für einen Entwurf besser eigenen als ein Fenster, wo ich wahllos ohne Konsequenzen rumschmieren kann?[1] Warum Fensterscheiben auch sonst beim Schreiben ganz praktisch sind, hab ich übrigens hier schon geschrieben.
Phase 1: Am Anfang war die Fensterscheibe
Mit Plänen ist das immer so eine Sache: In der Theorie klingen sie ganz einfach. Aber als ich dann mit dem Stift in der Hand vor dem Fenster stand, offenbarte sich schnell die erste Tücke: Welche Form hat die Keora denn? Also wieder Kappe auf den Stift und erst einmal recherchieren.
Da ein dreidimensionaler Raum kein Oben und Unten kennt, wollte ich sie zu einer Kugel machen, da sie so – bei richtiger Verteilung der Antriebe – in jede Richtung manövrieren kann, ohne erst umständlich „wenden“ zu müssen.[2] Der Kommandoraum sollte in die Mitte und theoretisch hermetisch abriegelbar sein, da er somit der sicherste Platz an Bord ist. Eine Frontscheibe braucht es dort nicht, da das Raumschiff ohnehin keine Fenster hat, denn die schwächen nur die Struktur. Schließlich ist Glas nicht ganz so bruchfest wie Stahlwände. Außerdem braucht man ein 360° Blickfeld rund ums Raumschiff herum, schließlich können die Feinde von überall herkommen. Da eigenen sich Außensensoren und Monitore weitaus besser für als eine Fensterscheibe.
Also gut, die Keora hatte eine Form, also Kappe vom Stift, ab ans Fenster und – verdammt noch eins, wie viele Flure braucht es eigentlich, um eine Kugel zu füllen? Und wie sind sie mit einander verbunden? Aufzüge wären ja irgendwie futuristisch, aber wenn es nur einen gibt, wartet man am Ende im Notfall ewig, weil irgendein Spaßvogel alle Knöpfe gedrückt hat.[3] Mehre Aufzüge oder Aufzug+Treppe hingegen sind eine unglaubliche Platzverschwendung und da ist ein Raumschiff wie jedes andere Schiff auch: Wenn man bei etwas sparen muss, dann ist das der Platz.
Da rund an sich aber schon praktisch ist, hab ich die Form beibehalten – nur in flach, dadurch gibt es nur eine Etage und weniger zu beachten. So ist die Keora eine fliegende Untertasse geworden – hey, irgendwas muss an den ganzen Ufo-Sichtungen doch dran sein!
Phase 2: Wozu sind die drei Muscheln da?
Das eigentliche Problem begann aber erst, als die Form feststand: Was gehört denn alles in so ein Raumschiff rein? Kommandoraum, Maschinendeck, Krankenstation und Shuttlebucht waren klar, aber die Crew arbeitet dort nicht nur, sie lebt da auch. Aber wie?
Ein Raumschiff ist da wie jedes andere Schiff auch: Platz ist Mangelware. Also muss bei jedem Raum abgewogen werden, ob er auch notwendig ist – weshalb Einzelkabinen eigentlich rausfallen. Andererseits möchte man doch, dass der Captain gut erholt ist und auch der Ingenieurin sollten nicht wegen eines schnarchenden Bettnachbarn die Augen zufallen, während sie mitten im Gefecht den Sprungantrieb repariert. Außerdem bildet sich doch jeder gern etwas auf Privilegien ein, also gibt es nicht nur Einzelzimmer für die Führungsriege, sondern auch gleich eigene Toiletten – natürlich in unisex. Denn bei 29 verschiedenen Spezies mit unterschiedlichen Fortpflanzungsarten geraten selbst gestandene Konservative ins Stottern, wenn es um eine klare Geschlechtsdefinition geht.
In der Kantine hingegen soll es keine hierarchische Trennung geben, denn schließlich ist gemeinsames Essen der perfekte Zeitpunkt, sich ungezwungen kennenzulernen – und zumindest theoretisch arbeiten Freunde besser zusammen als Fremde, die nur einen Job ausführen. Außerdem ist die Keora Monate ohne Zwischenstopp unterwegs, man ist also lange Zeit auf engsten Raum einpfercht, ohne anderen aus dem Weg gehen zu können. Da ist es wirklich hilfreich, die restlichen Mannschaftsmitglieder nicht zu hassen.[4]
Wer dennoch einfach einmal abschalten will, kann in den Ruheraum. Egal wie aufgeklärt die Zukunft auch sein mag, Religiosität wird wohl nie aussterben. Schließlich wird es immer irgendetwas geben, auf dass es keine Antwort gibt[5] oder eine Antwort, mit der man sich nicht abfinden kann, da der Glaube an ein Schicksal manchmal tröstlicher ist, als einen Zufall als solchen zu akzeptieren. Aber wenn wir allein bedenken, wie viele verschiedene Religionen die Menschheit hervorgebracht hat und diesen Wert dann mal 29 nehmen, dann sollte klar sein, dass es nicht für jeden Glauben einen eigenen Raum geben kann – dafür würde vermutlich nicht einmal ein eigener Planet reichen. Deshalb gibt es einen Raum für alle, die sich zum Gebet, zur Meditation oder einfach nur für ein paar Minuten Stille zurückziehen möchten.
Wer im Namen seiner Götter lieber singen und tanzen möchte, kann das hingegen in der Lounge tun – und sich dort mit dem Rest der Crew um die Musikauswahl streiten.
Phase 3: Ein Raumschiff für die Crew – und nicht umgekehrt
Eine Besonderheit auf der Keora ist Keora selbst – das Lebewesen, nach der das Schiff benannt wurde. Einst waren Schiffe eigenständige KIs, Angehörige der Maschienenspezies der Sumaten, weshalb das Schiff stets mit dem Piloten identisch war und somit xiesen Namen trug. Und da Traditionen recht schwerfällige Wesen sind, hat sich die Praxis auch dann noch gehalten, als längst nicht mehr alle Schiffe von Sumaten gesteuert wurden.
Keo (nennen wir sie mal so, damit es eindeutig wird, wer denn nun gemeint ist) gehört zu den Pirax, einer Spezies, die vor Tausenden von Jahren eine Symbiose mit einem Schimmelpilz eingingen und nun nicht mehr ohne können. Sie ist also nie allein, auch wenn sie ein Individuum ist, spürt sie auch stets die Pilze, die sie äußerlich und innerlich umwuchern – und mir ihr die komplette Umgebung. Da Schimmel für „normale“ Lebewesen aber selten etwas Gutes ist,[6] müssen Keos Räumlichkeiten hermetisch abgeriegelt sein, damit niemand aus dem Rest der Crew krank wird oder gar einen anaphylaktischen Schock erleidet. Sie hat also ihren eigenen Wohn- und Arbeitsbereich ganz für sich allein (oder eine WG mit Milliarden von Pilzen, wie man es sehen will).
Doch wenn sie so viele Umstände an Bord macht, warum ist sie überhaupt dabei? Weil sie gut ist. Pirax spüren das Pilzgeflecht, das sie umgibt, um dieses kann verdammt weit wachsen. Die Außenwand der Keora ist ausgehöhlt und durchwuchert, sodass der Pilz die komplette Außenverkleidung des Raumschiffes umgibt. Dadurch steuert Keo das Raumschiff nicht nur, sie fühlt es. Die Außenverkleidung ist wie eine zweite Haut für sie, es gibt keinen Kratzer, keine noch so kleine Unregelmäßigkeit, die ihr entgeht. Das erlaubt ihr, nicht nur aufgrund von Daten zu steuern, sondern auch eine Intuition für Raumbewegung zu entwickeln.[7]
Deshalb ist es lohnender, ein wenig kostbaren Platz für Keo zu opfern, anstelle sie gar nicht mitzunehmen. Natürlich hätte sie auch einfach ein Feldbett im Steuerungsraum aufschlagen können und eine Toilette hinter einem Vorhang hätte allein sanitären Bedürfnissen genüge getan, aber mal ehrlich: Wer würde nicht durchdrehen, wenn er sich monatelang nicht aus einer kleinen Kammer hinauswagen könnte? Und kann man das ausgerechnet bei der Schiffspilotin riskieren? 😉
Zum Rande der Galaxis!
Und so ist die Keora vollendet. Was als Fensterbild begann, wanderte mit Filzstiften auf Papier und wurde am Ende von Anne Nöggerath noch einmal digital in hübsch zum Leben erweckt. Ob sie am Ende ihrer Reise aber immer noch so hübsch aussieht, will ich hier nicht versprechen 😉
Wem der Plan der Keora genauso gut gefällt wie mir, kann übrigens noch bis zum 31. Juli 2017 ein signiertes Din-A4-Poster gewinnen! Und zwei Postkarten zu Blind stecke ich euch auch noch in den Umschlag, schließlich soll sich der Versand ja lohnen 😉 Die Verlosung findet auf Facebook statt, hier geht es zum Posting. Viel Glück!
[1] Danke übrigens an meinen Mann, der mich damals auf diese Idee brachte – ich hab es tatsächlich geschafft, jemanden zu heiraten, der fast genauso verrückt ist wie ich *g*
[2] Außerdem werden sich die Erbauer des Todessterns schon etwas dabei gedacht haben.
[3] Und was macht man im Brandfall?
[4] Was sonst passieren kann, sieht man im Roman 😉
[5] Oder bei dem man zu faul ist, sich die Antwort anzulesen und es lieber einem übernatürlichen Wesen in die Schuhe schiebt.
[6] Ja, ich weiß, Penicillin …
[7] Und ja, natürlich schlägt das Bauchgefühl keine Datenlage. Aber wer sagt, dass eine intuitive Steuerung unwichtig ist, spielt erstmal ein paar Stunden eine mittelmäßige PlayStation-Portierung mit Maus und Tastatur – und dann reden wir weiter 😉