Plotten für sprunghafte Grobmotoriker*innen

Ich liebe Tafeln – gleich ob Whiteboard oder die ganz klassische Kreide-Variante. Denn ich mache ständig Fehler. Zwar halten sich meine Rechtschreibfehler seit des Studiums in Grenzen und sogar meinen Krieg mit den Kommas konnte ich inzwischen in einen brüchigen Frieden verwandeln. Aber wann immer ich plotte, geht irgendwas schief.

Meine Gedanken erreichen auf ihren Reisen schnell mal Warp 4 und ich hechte mit dem Stift panisch hinterher, versuche als Chronist die wichtigsten Wörter und Etappen festzuhalten – und verheddere mich, da mein Kopf der Hand gleich zwei Szenen voraus ist. Dabei bin ich handschriftlich – gefühlt – schneller als mit der Tastatur, zumindest brennen sich Wörter aber besser ins Gedächtnis, wenn ich sie nicht nur schwarz auf weiß blinken sehe, sondern motorisch noch einmal nachverfolge.

Fehler? Welche Vehler Fehler?

Natürlich könnte ich auch einfach ein weißes Blatt Papier nehmen und mit dem Stift losflitzen. Sagen wir, ich will eine ganz klassische Fantasygeschichte plotten, irgendwas mit aufregenden Kämpfen und ein wenig Magie. Da ist also dieses Mädchen, das auf einem Bauernhof aufwächst die Tochter eines Herzogs ist. Ihr Name ist Lynn Marella Divana Thana Morina … nein, doch: Thana und sie mag hasst ihre Mutter eigentlich, weil sie Thana gegen ihren Willen verheiraten zu einer verzogenen Adelsfrau erziehen will, wie sie es selbst ist. Dabei will Thana doch einfach nur glücklich sein mit ihrer Magd zusammen sein (nee, zu Klischee) eine Schmiedin sein …

Herrje! Ich bin noch ganz am Anfang und verliere jetzt schon den Überblick bei diesem ganzen Gekrakel. Auf Papier ist das Ganze übrigens nicht übersichtlicher:

Plotskizze durcheinander
Und nein, kleiner schreiben ist keine Alternative: Dann kann ich ja gar nicht mehr lesen, was ich da schreibe.

Der praktischste Vorteil ist also offensichtlich: Mein Plot hat einen Logikfehler? Schwupps! – und nur noch der perfekte Handlungsfaden bleibt stehen; schön übersichtlich, dass ich noch nächste Woche weiß, was ich da zusammengereimt habe (und es in mein Notizbuch übertragen kann, damit der Platz für neue Ideen frei ist). Meine Gedanken dürfen weiterhin Karussell fahren und meine Hand hetzt natürlich immer noch hinterher, aber ich behalte leichter Überblick über meine Geschichte.

Aber mal ehrlich, das ist jetzt wirklich nichts Neues – fast jeder hat doch schonmal mit einem Whiteboard gearbeitet und weiß, wie praktisch diese Dinger sind. Nur was macht man eigentlich, wenn keines zur Stelle ist?

Überblick mit Ausblick

Die gute Nachricht: Jeder hat ein Whiteboard zuhause, ganz ehrlich. Seht nur einmal kurz aus dem Fenster und – huch, da ist ja eins! Und meistens sogar in perfekter Größe. Denn wer nicht gerade in einer Schule oder einem Konferenzraum wohnt, wird häufig Kompromisse bei der Größe seiner Schreibtafel eingehen müssen. Eine zwei Meter breite Fläche ist zwar traumhaft, passt aber selten ohne Rumräumerei ins Zimmer – oder zur Einrichtung: Ich hab eine schwarz-rote Tapete, da sähe so ein weißes Board einfach potthässlich aus.

Aber das Fenster ist immer da, gerne schön groß, und eignet sich gerade deshalb hervorragend als Whiteboardersatz. Außerdem hat das Ganze noch zwei wunderbare Nebeneffekte: Es gibt beim Plotten immer eine nette Aussicht – und ich denke endlich mal daran, regelmäßig die Fenster zu putzen. Denn die Whiteboardstifte lassen sich zwar kinderleicht abwischen, aber kleinere Schlieren vom Schwamm bleiben. Da hilft dann nur Fensterreinger – oder ein neuer Plot, der vom Glas ablenkt.

Sternenbrand Keora Raumschiff Entwurf Fenster

Dieses Beispiel für ein Fensterbild ist übrigens die Keora, das Raumschiff meines Science Fiction-Romans, der (hoffentlich) Mitte des Jahres fertig geschrieben sein wird – und ja, es ist eine fliegende Untertasse. Für dieses Kunstwerk habe ich fast drei Tage gebraucht. Also nicht für die paar Linien, sondern um mir klar zu werden, welche Räume so ein Raumschiff überhaupt hat und was die sinnvollste Verteilung wäre. Deshalb sind einige Räume mit der Zeit gewandert (vielleicht sollte die Nahrungsaufbereitung doch neben der Kantine und nicht beim Maschinenraum sein …), einige schrumpften und andere blähten sich auf. Was es mit der Keora genau auf sich hat, erfahrt ihr in nicht allzu ferner Zukunft beim Incubus Verlag.

Ich will gar nicht daran denken, wie viele Zettel mit misslungenen Skizzen ich gebraucht hätte, wenn mein wunderbares Fenster nicht dagewesen wäre. Auch ein kleines Board wäre keine wirkliche Alternative gewesen, denn ein großer Geist braucht Platz! Und eine Grobmotorikerin sowieso …

Und sonst so?

Wer seinen Plot nicht mit den Nachbarn teilen möchte (oder sein Fenster schon vollgekritzelt hat), kann auch auf die Tür oder den Schrank ausweichen. Das allerdings nicht ohne ein kleines Hilfsmittel: Klebefolie. Selbstklebende Folie gibt es auch in leicht wieder abziehbaren Varianten und schnell lässt sich so jede (halbwegs) glatte Fläche in ein improvisiertes Whiteboard verwandeln. Und wenn man auszieht, kommt die Folie wieder ab und die Tür ist wie neu.

Auch Spiegel eignen sich ganz hervorragend als Kritzelfläche. Besonders, wenn man tagelang auf diesem einen Plotloch rumkaut. Eine kurze Skizze auf den Badezimmerspiegel sorgt dafür, dass man nicht aus den Augen verliert, warum der Schwarzmagier jetzt so dumm ist, seinen Zauberstab in der Taverne zu vergessen. Außerdem hat man beim Zähneputzen doch ohnehin nichts Besseres zu tun, als über seine Geschichte nachzudenken. Das birgt dann auch noch einen ganz anderen Vorteil: Ich kann nicht gleichzeitig schreiben und die Zahnbürste halten, also dürfen meine Gedanken ganz frei rasen und ich schreibe einfach auf, was am Ende dabei rauskommt. So behalte ich dann sogar auf einem Blatt Papier den Überblick.

Dieser Artikel ist innerhalb der Essay-Reihe Wir schreiben! der Zeitzeugin entstanden. Schaut euch doch auch mal die anderen Beiträge an, es lohnt sich!

Author: Annette Juretzki

Autorin von Fantasy, Scifi & Unfug. Lektorin, Korrektorin & sonstige Besserwisserin. An sich ein netter Mensch, wenn man sie nicht näher kennt.

6 Replies to “Plotten für sprunghafte Grobmotoriker*innen”

  1. Hallo, schön hast du es hier 🙂
    Die Idee mit den Whiteboards ist toll. So ein großes Fenster hat ja wirklich jeder. Vielleicht versuche ich es auch mal damit.

  2. Die Idee mit dem Fenster ist mal echt genial. Bisher hab ich die Dinger nur als Leuchttisch-Ersatz benutzt. Aber wenn ich Anfänge an die Scheibe zu kritzeln wird mein Junior das auch bald machen wollen …

  3. Die Idee mit den Fenstern ist klasse. Mein Whiteboard ist mittlerweile ähm mit zu vielen Zetteln voll gepinnt. Aber auf den Fenstern ist noch Platz *am Kopf kratz* Ich mag zwar mittlerweile auch Scrapple oder Mindmap Tools zum plotten, aber da kann man so schlecht zeichnen, also lande ich doch wieder bei Zetteln und Notizbüchern. Klar für grobe Ideen gut aber um hin und her zu schieben… Na du kennst das ja selbst. 😉

    Sehr gute Idee. Danke.
    Alles Liebe
    Eluin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert