Nach alten Regeln

Ja, ja, fast jeder zweite Artikel beginnt inzwischen damit, dass ich so lange still war, aber dies Mal war es wirklich, WIRKLICH lange, ich weiß! Und ihr wisst, dass jetzt das übliche kommt: Corona, ganz viel privater Kram, noch mehr privater Kram, eine Depression, über die ich irgendwann später noch einmal sprechen werde, und die allgemeine Weltlage. Und weil ich uns alle jetzt so richtig kräftig runtergezogen habe, hier nun etwas Erfreuliches:

Es gibt eine neue Veröffentlichung von mir! Nein, leider noch nicht Von Rache und Regen 2, aber dafür eine Kurzgeschichte, die ein ganzes Stück anders ist als alles Vorherige, die ich so veröffentlicht habe, und die deshalb wohl auch immer etwas Besonderes bleiben wird.

Aber bevor ich dazu komme, worum geht es überhaupt?

Nach alten Regeln

Nachdem die Duumviren gestürzt wurden, herrscht in Al’Anfa unter Oderin du Metuant das Militär und die alten Regeln sind im Wandel, nach denen Korruption und Vetternwirtschaft zum Erfolg führen. Capitana Vadorias Familie will sich diesem neuen Zeitgeist jedoch nicht beugen, und so drängt sie die junge Frau dazu, ihre Vorgesetzte Alena Karinor zu verführen, um ihren gesellschaftlichen Aufstieg zu sichern. Doch Alena ist für Vadoria mehr als nur ein Mittel zum Zweck in diesem Spiel, deren neue Regeln sie noch nicht durchblicken kann. Und ein Aufstand alter Feind*innen fordert eine Entscheidung, zu der Vadoria noch nicht bereit ist.

Oder kurz gesagt: Es geht um alte Traditionen, neue Werte, verlorene Revolten, eine Gesellschaft im Wandel – und eine Prise Erotik. Und das Ganze in Al’Anfa, der spannendsten Region, die Das Schwarze Auge zu bieten hat! Zumindest wenn ihr mich fragt.

Alte Regeln – neue Pfade

Wie euch sicherlich nicht entgangen ist, blieb ich bei der Perspektive bisher fast ausschließlich bei Männern, denn – da bin ich ehrlich – für eine sehr lange Zeit fiel es mir einfach leichter, aus einer männlichen Sicht zu schreiben. Schon mein erster Romanversuch mit 13 hatte ausschließlich männliche Perspektiven.

Ich glaube, es lag zu einem guten Teil daran, dass ich es nicht gewohnt war, weibliche Figuren in Geschichten zu erleben, die den coolen Stuff machen. Frauen waren überwiegend das schmückende Beiwerk eines männlichen Helden, wenn es hochkam, durften sie Unterstützerin oder „Beute“ sein. Als Mädchen hatte ich also verinnerlicht, eine weibliche Figur ist Zierde, Werkzeug oder Opfer. Prinzen kämpfen, Prinzessinnen warten. Wie langweilig …

Zumindest war es damals so, als ich aufgewachsen bin, und die wenigen Ausnahmen wie Fantaghirò oder Xena haben einfach nicht ausgereicht, um das Bild im Kopf zu ändern: eine vielschichtige, aktiv handelnde Figur ist männlich. Deshalb fiel mir lange Zeit als Erstes ein Mann ein, wenn ich darüber nachdachte, welche Person durch meine Welten streift, um sich einen Platz in ihnen zu erkämpfen.

Aber so wie sich die Zeiten und ihre Vorbilder ändern, so zum Glück auch ich. Heutzutage gibt es immer mehr Beispiele für vielschichtige Frauenfiguren, die in Fantasy-Welten ihr eigenes Schicksal bestimmen, und auch weitere Geschlechter bekommen langsam endlich die Aufmerksamkeit, die ihnen viel zu lange verwehrt wurde. Und so gerne ich meine Kerle habe – ja, sogar Jonas! –, es wird Zeit, dass sie einen Schritt zur Seite treten, damit auch ich mich anderen Geschlechtern widmen kann. Außer natürlich Riagh und Nuzar – keine Sorge, bevor sie das mit den Zombies nicht endlich mal erledigt haben, werden sie schön in meinen Gedanken hocken bleiben.

Weibliche Queerness

Ich habe es damals nicht thematisiert, aber Nebelflor war tatsächlich meine erste Geschichte aus weiblicher Perspektive – weshalb das Erscheinen in der Queer*Welten ja so unglaublich passend gewesen ist! Und bei Vadorias Geschichte bin ich nun einen ganzen Schritt weitergegangen.

Erschienen ist Nach alten Regeln in der Anthologie Stunden der Sehnsucht, die sich der Erotik oder zumindest dem gewissen Knistern widmet. Und natürlich gibt es davon auch so einiges in meiner Geschichte, doch anders, als ihr es bisher von mir kennt. Denn wer eben aufgepasst hat, dem*der ist aufgefallen, dass es diesmal um zwei Frauen geht. Und ja, sie werden zwischenzeitlich nackt sein.

Ich bin bi – was wohl für niemanden hier eine sonderliche Überraschung darstellt. Ich meine, hey, diese Info hat es sogar in meinen Wikipedia-Artikel geschafft, und da steht ansonsten quasi überhaupt nichts drin. Und trotzdem war es im ersten Moment eine ziemliche Herausforderung, rein weibliche Erotik zu schreiben. Obwohl es sich doch um Körper handelte, die ich eigentlich weit besser als die cis männlichen kennen sollte, fehlten mir die Worte. Ich meine, wie viele nicht peinlichen Begriffe fallen euch für einen Penis ein? Und wie viele für Vulva?

Und auch die Distanz ist so eine Sache gewesen. Wenn es um Sex zwischen cis Männern geht, dann haben die Empfindungen nichts mit mir zu tun. Ich beschreibe, was mir andere erzählt haben, was ich mir herleiten kann oder was ich recherchiert habe. Bei sexuellen Handlungen zwischen zwei cis Frauen wird es plötzlich privat: Wie viel meiner eigenen Empfindungen lasse ich einfließen? Beschreibe ich, wie sich ein Orgasmus für mich anfühlt? Lasse ich sie Stellen streicheln, an denen ich gern gestreichelt werde?

Zu fremden Erfahrung und Recherche kommt jederzeit mein eigenes Erleben dazu. Sicher, ich kann versuchen, zu mir auf Distanz zu gehen, aber das geht nur in den Momenten, in denen es mir auch bewusst ist, dass ich gerade auf meinen eigenen Erfahrungsschatz zurückgreife. Findet Vadoria Alenas Stärke gerade deshalb sexy, weil es zu ihrer Figur passt – oder weil ich es heiß finden würde? Im Grunde müsste ich mich das bei jeder einzelnen, auch nur im geringsten sexuellen Beschreibung fragen.

Und wisst ihr was? Das ist doch albern! Wenn ich beschreibe, wie Blut schmeckt, dann greife ich doch auch darauf zurück, wie ich den Geschmack von Blut empfinde. Aber bei Sex soll das plötzlich ganz anders sein? Ehrlich, habe noch nie verstanden, warum man um etwas so Alltägliches so einen großen Aufriss macht, also fange ich jetzt auch nicht damit an. Wir können alle nur davon profitieren, wenn Sexuelles kein Tabu mehr ist, und wir einen offenen und entkrampften Umgang damit haben. Weshalb ich auch Erotik unter meinem Namen und nicht unter Pseudonym veröffentliche. Hier gibt es nichts zum Schämen.

Ich bin eine queere Person, die mit dem Label „Frau“ alles in allem ganz gut leben kann, und ich habe über queere Frauen geschrieben, die neben vielen anderen Erlebnissen auch Sex haben. Womit Nach alten Regeln wohl meine persönlichste Geschichte sein dürfte. Heißt das jetzt, dass es in der Geschichte um mein eigenes sexuelles Empfinden geht? Ganz sicher nicht, es geht um Vadoria und Alena, ich hab mit den beiden nichts zu tun. Also bin ich doch auf Distanz zu mir gegangen? Nein, natürlich nicht. Ich habe einfach zu Herleitung, Recherche und fremden Erfahrungen meine eigene hinzugefügt.

Und was bedeutet das jetzt genau? Das lest ihr am besten selbst 😉

Nach alten Regeln, erschienen in: Stunden der Sehnsucht, Ulisses Spiele, 2023. ISBN: 978-3963315534

Inhaltshinweise (Warum? Darum!)

Nach alten Regeln
Alkohol, Explizite Sexualität, Gewalt gegen Humanoide, Rassismus, Sklaverei

Author: Annette Juretzki

Autorin von Fantasy, Scifi & Unfug. Lektorin, Korrektorin & sonstige Besserwisserin. An sich ein netter Mensch, wenn man sie nicht näher kennt.

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