Ich weiß, ich weiß, ich hab hier ewig nichts von mir hören lassen, aber das hatte neben ein paar unschönen Gründen auch einen wirklich guten: Ich habe geschrieben. So richtig, mit den Fingern auf den Tasten und dann *klack*klack*klack* – man kennt es.[1]
Herausgekommen ist dabei nicht nur ein neuer Roman (Oktober 2019 …), sondern auch eine Kurzgeschichte, die mir wirklich am Herzen liegt. – Also nicht, dass ich meine anderen Kurzgeschichten nicht auch liebe und hätschle und jeden bis in die siebte Generation verdamme, der etwas Böses über sie sagt, aber dieses Mal meine ich es so richtig, richtig ernst, sprich der Fluch trifft auch noch die Kindeskinder bis ins dreizehnte Glied. Mindestens!
Aber alles schön der Reihe nach, hier die harten Fakten:
Like a (bad) Dream
Der queere Literaturblog Like a Dream wird dieses Jahr volljährig und das wird mit einer Anthologie gefeiert, in der sich 18 Autor*innen zusammengefunden haben. Die Geschichten sind teils traumhaft, teils furchterregend[2], es geht stets um schwule Männer, aber nicht immer um die Liebe. Oder, wie der Klapptext so schön sagt:
Wo bleiben Träume, wenn man im Copacabana Palace ums Überleben kämpft, einen Nix trifft oder seinen Auftragskiller kennenlernt? Wie befreit man seinen Geliebten aus einem Albtraum, stellt sich lange unterdrückten Sehnsüchten oder wird mit einem Dämon fertig? 18 mitreißende Geschichten voller (Alb)Träume, mal hoffnungsvoll und romantisch, mal düster und nachdenklich, zwischen Gegenwart, fernen Welten und Vergangenheit.
Neben meiner Geschichte tummeln sich in Like a (bad) Dream Erzählungen von Elea Brandt, Barbara Corsten, Carmilla DeWinter, Jona Dreyer, Svea Lundberg, Jobst Mahrenholz, Tanja Meurer, Jannis Plastargias, Thomas Pregel, Chris P. Rolls, S. B. Sasori, Elisa Schwarz, Juliane Seidel, Dima von Seelenburg, Dennis Stephan, J. Walther und T. A. Wegberg.
Alypos
Kommen wir zu Alypos, meiner bisher kürzesten, doch für mich so intensiven Geschichte. Und bevor ihr weiterlest, möchte ich zuerst eine Triggerwarnung aussprechen, denn es geht um den Tod und irgendwie um Suizid – und irgendwie auch wieder doch nicht, aber alles der Reihe nach.
Alypos ist – wer hätte es gedacht? – einmal mehr eine Science-Fiction-Geschichte, und im Gegensatz zu Ein Bruchstück Himmel geht es nun wieder in den Weltraum. Der Geologe Leszek di Tapia sitzt auf seinem kaputten Raumschiff Telos-18 fest, nachdem es mit einem Asteroiden kollidierte. Kommunikation und Antrieb sind ausgefallen, Stromversorgung und somit die Sauerstoffaufbereitung ebenso. Alles, was er noch tun kann, ist zu sterben, und dann erscheint Alypos – und es ändert sich nichts. Und alles.
Verwirrt? Gut. Also zumindest wenn es die neugierige Art von Verwirrung ist, denn die lässt sich nur durchs Lesen aufklären 😉
Eine Sache noch, bevor es persönlich wird: Alypos gehört nicht zur Sternenbrand-Reihe. Oder, okay, streng genommen müsste es heißen: Alypos gehört offiziell nicht zur Sternenbrand-Reihe. Denn wenn ich ganz ehrlich bin, hatte ich das Sternenbrand-Universum sehr wohl im Hinterkopf beim Schreiben, aber dennoch ist die Geschichte vollkommen losgelöst von den Romanen. Es gibt lediglich einen winzigkleinen Hinweis, ein Easter-Egg sozusagen, der auf eine Verbindung zwischen beidem hindeutet und der vermutlich aber nur gefunden werden kann, wenn man die Geschichte ZEBRA kennt. Und auch dann müsst ihr zumindest ein wenig Übung darin haben, in genauso kruden Gedankensprüngen zu denken, wie ich es tue.
Also, ganz ehrlich: Niemand verpasst etwas bei der Roman-Reihe, wenn er oder sie Alypos nicht liest – außer natürlich, eine Geschichte von mir nicht gelesen zu haben 😉
Leszek
Kommen wir also zu dem, was Alypos so besonders für mich macht: Leszek. Denn auch wenn ich – wie wohl fast jede*r Autor*in – immer etwas Persönliches von mir in meine Figuren schreibe (bewusst und unbewusst): Leszek denkt wie ich. Und das macht es irgendwie problematisch.
Also willkommen in meinem Kopf! Vorsicht, da geht es tatsächlich ziemlich sarkastisch und zynisch zu – wie meint ihr schaffe ich es denn sonst, so eine hoffnungslose Optimistin zu bleiben? Denn wenn ich etwas einfach nicht aushalten kann, dann ist es Pathos.
Klingt bisher doch eher alles lustig und jetzt gar nicht so schlimm und ernst? Stimmt, Alypos könnte eine sehr humorvolle Geschichte sein, wenn sie nicht vom Tod handeln würde. Oder eher: vom Sterben. Vom selbstbestimmten Sterben, um genau zu sein.
Denn exakt das ist das Kernthema der Geschichte: Wenn man nicht mehr das Leben wählen kann, sollte man sich für den Tod entscheiden können? Wer hat überhaupt das Recht, darüber zu entscheiden, wann der richtige Zeitpunkt für den eigenen Tod ist? Und wem schuldet man es zu kämpfen, wenn es da nichts mehr zu gewinnen gibt?
Ihr seht: sehr schwere Fragen zu einem sehr schweren Thema. Erörtert von jemanden, der einfach nicht ernst bleiben kann – vor allem nicht, wenn es wirklich ernst wird. Und das war beim Schreiben meine große Sorge: Wann wird es respektlos? Denn das war das eine, das ich hier um jeden Preis verhindern wollte. Und das ist gleichzeitig eines dieser großen Fettnäpfchen, in das ich auch privat gern mal mit Anlauf reinspringe …
Habe ich es geschafft? Ganz ehrlich: Das wird sich zeigen. Zumindest am Humor hatten meine Testleser*innen nichts auszusetzen, und dies ist schon einmal sehr erleichternd. Nie zuvor habe ich so unsicher auf Rückmeldungen gewartet. Denn diesmal ging es nicht nur um meine Geschichte, es ging auch ein kleines Stück um mich.
Leszek und ich teilen uns den Humor in den unpassendsten Situationen. Und ganz ehrlich: Ich hoffe, wenn ich einmal in einer ähnlich schweren Situation bin, kann ich ihn mir genauso bewahren wie er es tut.
Hier: Rattenbabys!
Nach diesem sehr süßen Bild, das nichts mit der Geschichte zu tun hat, aber hoffentlich eure Stimmung wieder gehoben hat, möchte ich einmal auf die Anthologie zu sprechen kommen.
Denn das Besondere an Like a (bad) Dream ist, dass es sich um eine Benefizanthologie handelt. Und das bedeutet: Niemand von uns verdient auch nur einen Cent daran. Sämtlicher Gewinn wird gespendet und kommt dem darmstädter Verein vielbunt e.V. zugute, der sich u. a. um queere Flüchtlinge kümmert, um ihnen da unbürokratisch zur Seite zu stehen, wo die deutschen Ämter versagen. Wenn ihr diese Anthologie kauft, bekommt ihr also nicht nur 465 Seiten Lesevergnügen, sondern tut auch noch etwas Gutes 🙂
Und zum Schluss noch ein wirklich persönlicher Fun-Fact: Leszek befindet sich bei mir definitiv in der Top 5 der schönsten Männernamen, aber das fällt nun wirklich unter überflüssiges Annette-Wissen 😉
Like a (bad) Dream (Benefizanthologie), Herausgeberin: Juliane Seidel. Erscheinungstag: 29. März 2019 (Vorabverkauf des Printbuchs auf der Leipziger Buchmesse am Stand der Kuschelgang). Leseproben aller Geschichten gibt es hier.
Trigger-Warnungen (Warum? Darum!)
[1] Oder auch nicht, so selten wie ich meist zum Schreiben komme.
[2] Im positiven Sinne natürlich!