[Sternenbrand] Deleted Scenes – Teil 1

Willkommen zu meiner kleinen, dreiteiligen Reihe von Deleted Scenes zu Sternenbrand – denn ehrlich, davon gibt es eine ganze Menge!

Viele Autor*innen legen eine ganze Menge Versionen ihrer Texte an, für jeden Überarbeitungsvorgang eine und dann auch noch einmal bei jeder Änderung. Aber ich bin faul. Sehr faul. Unglaublich faul! Eigentlich ein Wunder, dass ich überhaupt einen Roman fertiggeschrieben habe, wenn ihr mich fragt 😉 Jedenfalls existieren deshalb keine unzähligen Dateien mit Endungen wie 1, 3, 4.1, 4.11, final, wirklich-final oder wirklich-final2.1, sondern nur eine: Sternenbrand[1].

Wenn ich Kleinigkeiten am Text ändere, dann vergleiche ich die beiden Versionen und entscheide mich sofort. Denn ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich weiß aus dem Bauch heraus eigentlich immer recht genau, was ich schöner finde. Das heißt natürlich nicht, dass ich damit dann auch recht habe, aber meiner Faulheit bin ich es schuldig, einen Irrtum zu riskieren 😉

Beim Löschen werde ich dann allerdings doch zur Sammlerin: In Patchwork, meinem Schreibprogramm, lege ich stets ein Kapitel an, das „Fragmente“ heißt. Dort landen all die Textstellen, mit denen ich schreiberisch zwar zufrieden bin, die ich aber dennoch löschen muss, weil sie zum Beispiel einen Dialog zu sehr ausufern lassen (das ist tatsächlich der häufigste Grund fürs Löschen bei mir *g*). Den Hintergedanken dürfte jede*r Sammler*in jedweder materieller wie immaterieller Güter kennen: Das ist doch noch gut! Und tatsächlich, einen Großteil der Textstellen aus dem Fragmente-Bereich kann ich während der Schreibens zumindest teilweise an anderer Stelle wiederverwerten. Denn eine gute Metapher wird nicht schlecht, nur weil sie ursprünglich an einer unpassenden Stelle in den Text kam.

Friedhof der ungeborenen Textstellen

Doch dann gibt es da auch die anderen Stellen, die einfach zu speziell sind, um sie je wieder zu verwenden. Sei es eben, weil sie wirklich an dieser einen Stelle gepasst hätten oder weil sich einfach der Plot anders als geplant entwickelt hat und sie damit inhaltlich jedwede Berechtigung verloren haben. Das sind meine Deleted Scenes, die ich mit dieser kleinen Reihe endgültig zu Grabe tragen möchte. Denn hiermit habe ich sie endgültig aus meinem Fragmente-Kapitel gelöscht und ihnen doch als letzte gute Tag ein kleines Publikum geschenkt 🙂

Aber weil ich weiß, dass hier auch einige mitlesen, die ebenfalls gern schreiben und gern von anderen lernen, gibt es zu jeder Textstelle eine kurze Erklärung, warum ich sie gelöscht habe. Dazu möchte ich gleich im Vorfeld betonen: Jede dieser Textstelle habe ich selbst gelöscht, der Traumtänzer-Verlag hat mich da zu gar nichts gezwungen. Ganz im Gegenteil: Mein Lektor hat nicht eine dieser Textstellen jemals zu Gesicht bekommen, denn ich hatte mich gegen die meisten von ihnen entschieden, noch bevor ich den ersten Entwurf meines Manuskripts fertig hatte.[2] Sogar meinen Betaleser*innen dürften die meisten Textstellen neu sein. Wenn ihr es so wollt, habe ich mich an diesen Stellen also selbst lektoriert 😉

Spoiler-Warnung!

Und noch eine kleine Warnung zum Schluss: Auch wenn ich versucht habe, keine Ausschnitte zu nehmen, die Wendepunkte in der Geschichte enthalten, lassen sich Spoiler natürlich nicht vermeiden. Wer also gerade erst dabei ist, Blind oder Blau zu lesen, sollte selbst entscheiden, ob xier wirklich weiterlesen möchte. Ich gebe stets die Bücher und die Kapitel an, wo ich die Textstellen ursprünglich platziert hätte, so seid ihr vorgewarnt und könnt auch Textstellen überspringen, wenn ihr beim Lesen noch nicht so weit sein solltet.

So, nun habe ich aber wirklich genug drumherum geredet, fangen wir endlich an!

BLIND – Kapitel 2

»Wir werden hier keinen Kampf beginnen. Und ja, Marino, damit meine ich dich. Solange niemand von denen einen Schuss abgibt, will ich niemanden von euch mit der Waffe im Anschlag sehen. Und selbst wenn die Lage eskaliert, schießen wir nicht auf Flüchtende, verstanden?«

Marinos Gesicht schien gefroren, als sie Jonas Blick standhielt. Ihre Disziplin war gespenstisch. »Wirklich schade, diese Menschen hätten bestimmt viel zu erzählen gehabt.«

»Wir können Gefangene nehmen, Brand. Sir.« Kapurs Tonfall war unsicher förmlich. Zumindest die Jungen ließen sich noch erziehen.

»Und was dann? Mit Stromschlägen und Schlafentzug zum Reden bringen?«, knurrte Zeyn. Er hatte ein neues Opfer gefunden.

»Wenn sie sonst nicht reden wollen, ja. Hätten sie nichts zu verbergen, würden sie sich hier nicht einsperren.«

»Oh, du machst auch jedem Bewaffneten weit die Tür auf, der sich mal schnell in deiner Wohnung umsehen …«

Wo genau dieser Dialog ursprünglich sein sollte, könnt ihr euch sicher schon denken: Die Söldner*innen haben die restlichen Klosterbewohner gefunden. Und an sich finde ich diesen kurzen Dialog gut, denn er charakterisiert kurz und knackig die Anwesenden: Jonas bosst rum, meint es aber eigentlich gut und kennt dabei seine Pappenheimer. Tina ist eine brave, aber etwas frostige Soldatin, Kapur will ein braver Soldat sein und meint es dabei ganz sicher nicht gut und Zeyn ist sarkastisch, wie wir ihn alle lieben. Außerdem kann ich auf der Metaebene noch einmal zeigen, wie dämlich ich dieses „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten“-Argument von Sicherheitsparanoiker*innen und Überwachungsphilen finde. Alles perfekt, oder?

Leider nein. Denn erinnert ihr euch noch an die Stimmung am Ende von Kapitel 2? Ich schon, denn das Ende Kapitel 2 ist tatsächlich atmosphärisch eine meiner liebsten Stellen: Die Situation ist bedrückend, sowohl Xenen als auch Jonas innerlich zerrissen. Jonas will das richtige tun und ahnt doch, dass es keinen richtigen Weg geben wird. Und Xenen erkennt, dass es doch ein Fehler war, die Tür zu öffnen.

Der Dialog hätte die Situation aufgelockert und dabei genau die Atmosphäre zerstört, die sie auszeichnet. Um ein Haar wäre übrigens auch der kurze Dialog um Jonas’ Augenfarbe genau aus diesem Grund herausgeflogen, aber ich habe die Info aus ihr-wisst-schon-welchem-Grund für Blau gebraucht. Eigentlich stand er etwas weiter am Schluss der Szene, wo die Stimmung ihren absoluten Tiefpunkt hat. Von da habe ich ihn dann ein wenig nach vorne gezogen, wo er meiner Meinung nach gerade noch so passt. Zugegeben, er richtet zwar ein wenig Schaden an der Atmosphäre an, aber trifft nicht kritisch. Da es noch ganz am Anfang ist, kann sie diesen Treffer wegstecken.

BLAU – Kapitel 3

»Was singst du da?« Xenen suchte die Ablenkung, um sich zu beruhigen.

»Sternenstaub von Yiyighupa, ist ein richtiger Ohrwurm … Oh, richtig, galaxisfremd und so. Yiyighupa ist eine Band, dirharisch, also Musiker[3]. Auf deinem Vissa gibt es doch Musik, oder? Wenn wir wieder im zivilisierten Teil der Galaxis sind, nehme ich dich mit auf ein Konzert.«

»Natürlich kenne ich Musik!« Xenen hasste es, wie hinterwäldlerisch er den anderen erscheinen musste, nur weil die Fenster daheim nicht auf Wunsch ihr Bild änderten. »Unsere Musik erzählt sogar Geschichten.« Dass es sich dabei meistens um die Götter drehte, verschwieg er lieber.

»Meine auch! Die besten Songs haben Text.«

»Und worum geht es in deinem Lied?«

»Ach, um das Übliche: Liebe und so.« Sie grinste und ihr Summen wuchs zum Grölen. »All deine Lieder, Bilder, all deine kleinen Gedichte lösche ich aus diesem Universum, und vernichte alles, was du lie…«

Hach, ich liebe Ghost einfach <3 Jede ihrer Szenen war ein wahrer Genuss zu schreiben, denn sie hat Xenens Impulsivität, ist dabei aber so erfrischend anarchistisch. Während der erste Dialog rausgeflogen ist, weil er die Atmosphäre zerstört hätte, ist Ghost die gelebte Atmosphäre-Killerin – und das macht sie ausgezeichnet! Kein Stückchen Pathos ist vor ihr sicher 😉

Warum ist dann aber dieser Dialog trotzdem rausgeflogen? Ich meine, er beleuchtet den Hintergrund noch ein wenig mehr, passt charakterlich sowohl zu Xenen als auch zu Ghost und endet auch noch mit einer Pointe. Ist ja fast wie aus Lehrbuch *g*

So toll dieser Dialog auch ist, an dieser Stelle war er einfach zu lang. Sie und Xenen sind Geiseln auf dem Weg zum einem neuen Ort, bei einem Computerspiel wäre das hier also ein Fahrstuhlgespräch, um einen Ladebildschirm zu kaschieren. Aber so toll solche Fahrstuhlgespräche auch sind, irgendwann nerven sie, denn eigentlich will man doch weiterspielen – ganz besonderes, wenn man sich mitten in einer Mission befindet, nach der man eine veränderte Spielwelt vorfinden wird. Und genauso ist es auch an dieser Stelle: Mal ehrlich, hier wolltet ihr doch auch lieber endlich erfahren, wie es ausgeht, als die Hintergrundwelt von Sternenbrand kennenzulernen.

So ganz konnte ich mir den Dialog aber auch nicht verkneifen, also steht er nun verkürzt im Roman:

»Über was singst du da?« Xenen suchte die Ablenkung, um sich zu beruhigen.

»Ach, das Übliche: Liebe und so.« Sie grinste und ihr Summen wuchs zum Grölen. »All deine Lieder, Bilder, all deine kleinen Gedichte lösche ich aus diesem Universum, und vernichte alles, was du lie…«

BLIND – Kapitel 4

Xenen setzte sich auf. Er hätte nicht gedacht, dass Jonas ihm irgendwelche Fragen erlauben würde, also hatte er sich auch keine überlegt. Wenn er ehrlich war, gab es mehr als genug Dinge, die er immer noch nicht verstand. Doch da draußen lockten die Sterne und Jonas schien kein Mann zu sein, der es genoss, wenn Dinge kompliziert wurden. Xenen hatte nur eine Chance, diese Galaxie zu erkunden: Wenn der flirtende Junge blieb, der sich alle Möglichkeiten offenhielt. Alles andere war eine ganz schlechte Strategie.

Dieser Absatz flog raus, weil er mir im Nachhinein betrachtet einfach nicht zu Xenen passt. Xenen flirtet nicht, weil er eine Strategie verfolgt. Xenen flirtet, weil er Spaß dran hat, einfach so, ohne Hintergedanken. Er ist nicht Jonas, der am liebsten jeden Atemzug auf seine Nützlichkeit hin reflektieren würde. Und wenn Xenen Fragen hat, hält er sie nicht zurück, dafür ist er zu neugierig und zu impulsiv.

Deshalb hat sich dieser Absatz zu einem längeren Dialog aufgebläht, der dafür aber ganz Xenen ist:

»Gut, dass es dir besser geht. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.« Jonas klang ehrlich, als wolle er trotz der Musik nur mit Xenen reden. Und es wäre auch vernünftig, nichts zu überstürzten, nachdem die existente Welt binnen einer Stunde um das milliardenfache gewachsen war. Kühle Enttäuschung schlich über Xenens Haut und er schüttelte sie ab, bevor noch seine Neugierde erfror. Schließlich war es nicht Vernunft gewesen, die ihn auf dieses Raumschiff gebracht hatte, da gab es keinen Grund, jetzt damit anzufangen.

»Ja, das haben viele.« Xenen versuchte, betont lässig zu wirken, während er sich auf dem Stuhl niederließ. […]

»Viele haben eben Fragen.«

»Das passt gut, ich hätte da auch eine.« Auffordernd sah Xenen zu Jonas auf. Er spürte die Unvernunft vom Bauch bis zur Kehle kribbeln und genoss das vertraute Gefühl; wenn man eine falsche Entscheidung traf, dann sollte man sie auch auskosten. Reue kam am nächsten Morgen schon von selbst.

»Ach? […] Welche denn?«

»Kann ich bei dir bleiben?«, schoss es aus Xenen heraus und er bereute es sofort. Vielleicht war es doch die falsche Frage zur falschen Zeit.

Jonas grinste lasziv. »Du bist direkt; gefällt mir.«

»Nein, ich meine nicht so«, erwiderte Xenen so schnell, dass er sich dabei verschluckte.

BLIND – Kapitel 8

Wieder schwirrte eine dieser Kugeln über ihre Köpfe hinweg, nur um blinkend direkt hinter Xenen auf den Boden zu schweben, den sie sogleich besprühte. Zwei Ärmchen fuhren sich aus und hielten einen Stoffblock, mit dem sie über die feuchte Stelle rieben.

»Noch nie gesehen, wie jemand den Boden wischt?«

Xenen schrak auf; ihm war gar nicht aufgefallen, dass er stehen geblieben war. »Nicht so.«

»Sei froh, dass wir Drohnen haben, sonst müsstest du auf allen vieren für deine Sternenreise bezahlen.«

»Ich kann mir Schlimmeres vorstellen.«

»War das eine Einladung?«

Panisch drehte er sich zu Zeyn um. »Was? Nein, so meinte ich das …«

»Xenen, das war ein Scherz. Jetzt komm, wir sind gleich da.« Der Ghitaner grinste wie Raubtier, das seine Beute gefunden hatte.

Vermutlich werden jetzt all die Xeyn-Shipper*innen unter euch nicht verstehen, wie ich das sagen kann, aber: Es gab auch so schon mehr als genug Geflirte zwischen den beiden 😉 Und im Nachhinein muss ich auch zugeben, selbst für Zeyn ist dieser Dialog ein klein wenig zu plump geworden. Zum Glück hat mein kleiner Chaos-Ghitaner ja mehr als genug Möglichkeiten bekommen, um zu beweisen, dass er das besser kann 😉

Wir sehen uns Dienstag!

Hier ist auch schon Teil 1 dieser kleinen Reihe vorbei, aber der Blick hinter die Kulissen ist noch lange nicht beendet. Dienstag geht es weiter, und zwar mit einer XXL-Textstelle. Denn ursprünglich verlief der Beginn der 2. Szene in Kapitel komplett anders und das über mehrere Seiten, bis ich mich entschied, noch einmal von vorn anzufangen. Was ich ursprünglich vorhatte und warum das ganz und gar nicht geklappt hat, könnt ihr Dienstag lesen.

Kettenanhänger zum Roman Sternenbrand 1: BlindUnd nicht vergessen: Noch läuft das Gewinnspiel um diesen hübschen Blind-Anhänger!

 

[1] Okay, eigentlich hieß meine Datei ursprünglich Blind, denn Blind und Blau wurden als ein zusammenhängender Roman von 900 Seiten geschrieben, der dann aus Kostengründen geteilt werden musste. Denn glaubt mir, zu dem Preis, den so ein dicker Roman bei einer Kleinverlags-Auflage dann gehabt hätte, hättet ihr kein Buch einer Debüt-Autorin gekauft 😉
[2] Ja, ich überarbeite bereits, noch während ich schreibe … Böse, innere Lektorin, aus!
[3] An dieser Stelle ärgere ich mich gerade tierisch, warum ich nicht früher auf die Idee gekommen bin, Ghost nur im Femininum sprechen zu lassen. Ich meine, kommt schon, das hätte so super zu ihr gepasst! Argh!

Author: Annette Juretzki

Autorin von Fantasy, Scifi & Unfug. Lektorin, Korrektorin & sonstige Besserwisserin. An sich ein netter Mensch, wenn man sie nicht näher kennt.

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